Kunsthistorischer Rundgang

von Domkustos Dr. Udo Grote

Daten und Fakten zur Bischofskirche

  • Länge des Domes: 109 Meter
  • Breite (mit Paradiesvorhalle): 52,85 Meter
  • Höhe des Nordturmes: 57,7 Meter
  • Höhe des Südturmes: 55,5 Meter
  • Höhe des Hauptschiffes: 22,5 Meter
  • Breite des Hauptschiffes: 28,3 Meter
  • Breite des Ostquerschiffes: 43,3 Meter
  • Breite des Westquerschiffes: 40,55 Meter
  • Anzahl der Sitzplätze: rund 700
  • Anzahl Glocken: 10
  • Größte Glocke: sog. "Kardinalsglocke" (größte Glocke der Diözese Münster) - 7,6 t Gewicht, 2,30 m Durchmesser aus dem Jahre 1956.

Außenansicht

Auf dem sanft ansteigenden Domhügel liegt breit gelagert und majestätisch thronend der St. Paulus-Dom. Mit seinen Mauern aus leuchtend gelbem Baumberger Sandstein und dem grünen Kupferdach bildet er das historische Zentrum Münsters, der Metropole Westfalens. Seit dem frühen Mittelalter ist der Dom Sitz des Bischofs zu Münster.

Nachdem Ludgerus auf Veranlassung Karls des Großen um 800 das Christentum nach Westfalen gebracht und eine erste Kirche errichtet hatte, ist der heutige Dombau (nach Errichtung eines ottonischen zweiten Domes) bereits die dritte Kathedrale.

1225 legte Bischof Dietrich von Isenburg den Grundstein für die großzügige dreischiffige Basilika, die 1264 durch Bischof Gerhard von der Mark geweiht wurde.

Im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, wurde der Dom bis 1956 wieder aufgebaut, in der liturgischen Gestaltung des Chores mit dem zur Gemeinde gesetzten Altar verwirklichte er bereits Vorstellungen, die zehn Jahre später das zweiten Vatikanische Konzil fordern sollte.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Paradies (außen)

Mit seinen bereits um 1200 vollendeten Türmen, dem langestreckten Mittelschiff  und den zwei Querhäusern ist der St.-Paulus-Dom ein typisches Beispiel spätromanischer Architektur.

Der Haupteingangsbereich, das so genannte Paradies, und auch die südliche Schaufront des östlichen Querhauses wurden im 16. Jahrhundert neu gestaltet, erweitert und mit Skulpturenschmuck ergänzt. Des Weiteren wurde in dieser Zeit die Westfassade spätgotisch umgestaltet (nach dem zweiten Weltkrieg wieder romanisiert).

Über dem Paradies, an der Südwand des westlichen Querschiffes, ist dagegen ein symbolischer Skulpturenschmuck noch aus der Erbauungszeit der Kirche zu sehen. In der Mitte des sechsteiligen Radfensters der mächtige Kopf des heiligen Paulus, des Hauptpatrons des Domes, und des Bistums, das Haupt Johannes des Täufers, der im Dom besonders verehrt wurde, und Löwe und Lamm aus der Apokalypse des Johannes, die die Naturen Christi symbolisieren.

An der Südostwand hingegen befinden sich Darstellungen eines Kranichs als Symbol des Guten (Wachsamkeit) und eines Wolfes als Symbol des Bösen.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Paradies (innen)

Das Bildprogramm des Giebels muss in Zusammenhang gesehen werden mit dem darunter liegenden Skulpturenschmuck der Paradiesesvorhalle, die in der Zeit der Spätromanik noch offen gestaltet war.

In der Paradiesesvorhalle hatte das Sendgericht im Mittelalter seinen Platz, bei dem der Sendrichter die geistlichen Verfehlungen im Bistum seit dem 9. Jahrhundert richtete.
Oberhalb der Doppeltür thront Christus als Weltenrichter mit segnender Rechten und dem Buch des Lebens in seiner Linken begleitet von den Statuen der Apostel, die hier gleichsam als Beisitzer des Gerichtes erscheinen. Auch Paulus mit dem Schwert als Patron der Kirche (Heinrich Brabender, um 1535) unterstützt den Gedanken des Weltenrichters, der über die Menschen richtet. Das Paradies ist gleichsam eine Porta coeli, eine Pforte des Himmels, durch die hindurch man in das Innere des Domes gelangt.

Der Name "Paradies" deutet auf den paradiesischen Urzustand hin und den Sündenfall der Menschen, was gleichfalls in Zusammenhang mit dem Gerichtsthema zu sehen ist. Ein Relief mit dem Sündenfall (Johann Brabender, um 1540) war ehemals über dem Außenportal angebracht.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Blick in das Langhaus und den Chorraum

Tritt man durch das Paradies hindurch zum Mittelschiff und blickt nach Osten, so erschließt sich dem Besucher der majestätisch proportionierte Raum der Basilika, bei der die Seitenschiffe durch hoch aufragende Scheidbögen fast wie bei einer Hallenkirche mit dem Mittelschiff verbunden sind. Die Architektur wird bereits neben Rundbogenformen durch Spitzbögen geprägt, die, aus der arabischen Baukunst eingeführt, im 12. und 13. Jahrhundert dem Kathedralbau neue Möglichkeiten der Proportionierung eröffneten.

Ursprünglich befand sich im Chorhaupt der barocke Hochaltar, der als großer Reliquienschrein mit gemalten und geschnitzten Flügeln (Adrian van den Boegart, Gerhard Gröninger 1619-1622) geschaffen wurde (Reliquiare heute in der Domkammer).

Dieser Hochaltarschrein befindet sich heute im historisch ältesten Bauteil, dem Westchor. Hier sind auch Teile des reichen Chorgestühls aufgestellt, so dass in diesem Kirchenbereich täglich die Vesper gebetet werden kann. Der heutige Hochaltar enthält Apostelstatuen des 14. Jahrhundert aus dem Reliquienschrein. Er wurde im Zusammenhang mit der gesamten Chorkonzeption und der im Chorhaupt angebrachten Kathedra des Bischofs, die sein Lehramt verkörpert, von dem Künstler Emil Stephan um 1956 gestaltet.

Ursprünglich war der Chorbereich durch einen Lettner und seitliche Chorschranken (Reliefs heute in der Domkammer) als eigene kleine Architektur innerhalb des Domes vom übrigen Raum abgetrennt. Das Chorgebet durch die 40 adeligen Domherren bildete einen der Hauptpunkte der kirchlichen Liturgie.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Kunstschätze und Epitaphien

Der Dom wird noch heute geprägt durch eine große Anzahl kostbarer Altäre, Epitaphien und Heiligenstatuen, die vorwiegend der Gotik der Renaissance und dem Barock entstammen.

Gleich im Eingangsbereich erhebt sich die gigantische Skulptur des heiligen Christophorus (Johann von Bocholt, 1627), der üblicherweise seit dem Mittelalter im Eingangsbereich angebracht war, da ein kurzer Blick zu ihm vor einem jähen Tod bewahren sollte.

Eine der ältesten Skulpturen ist das große Triumphkreuz im Chor (um 1200), das Christus mit geöffneten Augen und langem Gewand als den neuen Hohen Priester und König des Himmels darstellt. Der Chor enthält noch weitere Skulpturen von der Romanik bis zum Barock (Evangelisten, Engel, Heilige Maria und Joseph). An den Nebenaltären, die zugleich Grabdenkmäler sind, wurden über Jahrhunderte Messen und Andachten gefeiert.

Besonders wichtig war dem Menschen im Mittelalter die Erlangung des ewigen Seelenheils. Die Stiftung der zahlreichen kostbaren Epitaphien (Grabdenkmäler), und Altäre, die die Wände des Langhauses im Süden und Norden und auch die Pfeiler schmücken, weisen eindringlich auf diesen Gedanken hin. Zumeist zeigen sie kniend den Stifter, der in das heilige Geschehen eingebunden ist und zugleich sozusagen ewig in der Liturgie des Domes mit präsent ist.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Astronomische Uhr und Galensche Kapellen

Ein besonders kostbares Ausstattungsstück ist die Astronomische Uhr, die von dem Maler Ludger tom Ring ausgestattet, von Dietrich Tzwyfel und Nikolaus Windemaker und Johann von Aachen 1540-1542 gefertigt wurde.

Bieten die Epitaphien einen Überblick über Frömmigkeitsvorstellungen vom Mittelalter bis in die Zeit des 18. Jahrhundert, so sind die Galenschen Kapellen nicht allein ein Frömmigkeitszeugnis, sondern weisen zugleich auch auf die absolutistische Regierungsgewalt der Fürstbischöfe in der Zeit des Barock hin.

Die drei Galenschen Kapellen wurden von Christoph Bernhard von Galen nach seinem Sieg über die Stadt Münster 1661-1663 als sichtbares Zeichen seiner Macht errichtet. Die Stadt hatte sich gegen ihn aufgelehnt. Er hatte sie belagert und erobert.

In der Kapelle befindet sich das monumentale Grabmal des Fürstbischofs, von seinem Hofbildhauer Johann Mauritz Gröninger 1677-1679 geschaffen, auf dem der Fürstbischof in der Form der sogenannten Ewigen Anbetung in das Messgeschehen mit einbezogen ist. Zugleich aber, wie auf einer Bühne, präsentiert er auch seine militärischen Siege über die Stadt Münster und im Kampf gegen die Türkengefahr.

In einer der Galenschen Kapellen ist Clemens August von Galen begraben, der "Löwe von Münster", der nach seiner Erhebung zum Bischof 1933 über die gesamte Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten mutige Predigten gegen die Verschleppung und Tötung von Kranken und die Ermordung von Geistlichen fand und ständig in der Gefahr war, verhaftet zu werden. Er wurde 1946 zum Kardinal erhoben, starb aber kurze Zeit danach.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Ostquerschiff, Kreuzgang, Friedhof

Im südlichen Querhausarm des Ostquerhauses befindet sich die neue Orgel (Firma Klais, Bonn 1984-1987); daneben das äußerst qualitätvolle spätbarocke Epitaph des Dompropstes Ferdinand von Plettenberg (1712-1713) mit der bewegten Szene des Christus am Ölberg.

Geht man von dort in den Chorumgang, so blickt man auf die Astronomische Uhr (Glockenspiel 12 Uhr) und kann eine Anzahl interessanter Heiligenstatuen betrachten.

Geht man weiter zum nördlichen Ausgangsportal des östlichen Querhauses, so sieht man dort sogenannte Pestkreuz des 14. Jahrhunderts und schräg gegenüber das monumentale Grabmal des Fürstbischofs Friedrich Christian von Plettenberg (Johann Mauritz und Johann Wilhelm Gröninger 1707-1709), ehemals im Chor.

Von hier erreicht man durch die Holztüren den Kreuzgang, der 1390-1395 entstanden ist und in seinem Inneren den Friedhof der Domherren umfasst. Angebaut an den Kreuzgang ist die Domkammer, die bedeutende Zeugnisse des Kunsthandwerks der Bildhauerei und der Malerei aus der 1200-jährigen Geschichte des St.-Paulus-Domes enthält.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Die 15 Kreuzwegstationen

1995/96 schuf der Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim für die Nischen der Chorschrankenwände im Chorumgang des Domes 15 Kreuzwegstationen.

Die 15 vollplastischen Bronzegruppen zeigen in sensibler und dabei doch eindringlich pathetischer Darstellungsweise die Stationen des Kreuzweges Christi, wobei Gerresheim in das Passionsgeschehen Menschen unserer Zeit und Persönlichkeiten der Bistumsgeschichte mit einbezieht.

So tauchen unter anderem der selige Karl Leisner, Schwester Maria Euthymia, Niels Stensen, Anna Katharina Emmerick, Clemens August von Galen, Papst Johannes Paul II. und Mutter Theresa auf, die in das Geschehen eingebunden sind.

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben

Fenster des Künstlers Georg Meistermann

Von 1985-1990 entstanden moderne Fensterzyklen für die Kreuzkapelle und die drei Galenschen Kapellen sowie angrenzende Fenster. Der Glaskünstler Georg Meistermann schuf 1985 – 1990 die Entwürfe für die Darstellungen.

In den vier Kapellen stellen sie den Lobpreis der Schöpfung durch die drei Jünglinge im Feuerofen dar, zu denen noch die Szene des Daniel in der Löwengrube im nördlichen Fenster des Chorumgangs hinzukam. Die Fenster wurden nach dem Tod Georg Meistermanns 1990 nach seinen Entwürfen ausgeführt.

In ihrer Verbindung geometrisch-abstraktier Formen und zum Teil naturalistischer Symbole in vielseitig-farbigen oder auch thematisch zugeordneten dunkleren, verschatteteren Glaspartien, sind diese Fenster ein typisches Beispiel für das Werk Meistermanns, der hier im Dom gleichsam einen kosmologisch umfassenden Bildzyklus geschaffen hat.

Buchtipp:
"Einsichten in Unsichtbares"
Die Fenster Georg Meistermanns im Dom zu Münster
Autor: Werner Thissen
Hardcover | 72 Seiten | 24 x 21,5 cm
ISBN 978-3-933144-12-6
dialogverlag 1998
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Foto: aus dem Buch "Einsichten in Unsichtbares"
v. Dr. W. Thissen