"Der Dom ist ein Glaubenszeugnis", sagt Domkapitular Walter Böcker, als die Führung in der Vorhalle des Doms, dem Paradies, beginnt. "Ohne christlichen Glauben kann man diesen Dom überhaupt nicht verstehen." Der jetzige Bau, der im Jahr 1264 fertig gestellt wurde, ist bereits der dritte nach zwei Vorgängern aus den Jahren 800/805 und 1090. "Die Menschen wollten dem Herrn ein Haus bauen", erklärt Böcker und verweist mit Blick auf den wiederkommenden Christus auf das Thema "Wachsamkeit", das sich wie ein roter Faden durch das Kirchengebäude zieht und sich in einer reichhaltigen Bildersprache ausdrückt.
Nicht nur im Innern des Doms, auch außen sind Bilder zum Thema "Wachsamkeit" zu sehen. So weist Böcker die Gruppe auf den Salvatorgiebel an der Südseite des Doms hin, auf dem eine Figur des auferstandenen Christus mit einer Siegesfahne in der Hand steht: "Aller Welt wird verkündet: Christus, der Auferstandene, wird wiederkommen", sagt Böcker. Dieses Motto finde sich übrigens auch im Wahlspruch von Bischof Lettmann wieder: "Lass uns deinem kommenden Christus entgegeneilen."
Einen Aufruf zur Wachsamkeit drücken auch die Darstellungen in den kleinen Rundfenstern an der Südseite des Doms aus: Löwe und Lamm, die eine Buchrolle öffnen. Ein Hinweis auf die Offenbarung des Johannes, erklärt Böcker. "Gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids; er kann das Buch und seine sieben Siegel öffnen." (Offb 5,5) Weiter heißt es: "Das Lamm trat heran und empfing das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß." (Offb 5,6-7)
Das Tierpaar Wolf und Kranich an der südlichen Ostwand stehen für das Böse und das Gute. Der Kranich – wiederum ein Symbol der Wachsamkeit – hält in seinen Krallen einen Stein, der, nach antik-frühchristlicher Überlieferung, herunterfällt, wenn der Kranich einschläft, und ihn aufweckt. Der Dom sei dazu da, fasst Böcker zusammen, "um sein Wiederkommen zu erwarten, wachsam zu sein und bis dahin Eucharistie zu feiern". Daran erinnere auch der Spruch nach der Wandlung: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit."
Doch jetzt lenkt Böcker die Blicke der Besucher auf das Paradies, ein Abbild des himmlischen Jerusalem, in dem früher das Sendgericht tagte. Die Vorhalle steht unter dem Leitgedanken der Pforte des Himmels. Über der Eingangstür thront Christus als Weltenrichter – nicht als "strenger Richter aller Sünder, der du uns so schrecklich drohst", wie es im Kirchenlied heißt – sondern mit dem Buch des Lebens (Offb 20,12) in seiner Linken, die Rechte zum Segen erhoben. Symbolisch stellt er die Tür zum Heil dar: "Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden." (Joh 10,9)
Text: Almud Schricke, Kirche+Leben
Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben
27.07.2007