Liudgers Wirkung: In vielerlei Gestalt

Im Jahr 805 wurde Liudger zum Bischof geweiht. Seitdem sind 1200 Jahre vergangen, doch viele Spuren im Bistum Münster und in benachbarten Regionen weisen auch heute noch auf den Bistumsgründer hin.

So gibt es insgesamt 22 Kirchen im Bistum Münster, die die Namen Ludger, Ludgerus oder Ludgeri tragen. Hinzu kommen etliche Kapellen und Brunnen wie zum Beispiel in Billerbeck, Werden, Heek, Lippborg und Lippramsdorf, die dem Heiligen geweiht sind und um die sich zahlreiche Legenden ranken.

Innerhalb Deutschlands kommen Ludgerusgemeinden nur in den nördlichen Bistümern vor; so in Essen, Köln, Osnabrück, Paderborn, Hildesheim und Berlin. Weitere Ludgerus-Gemeinden findet man in den niederländischen Bistümern Utrecht und Groningen und in Belgien. Sogar in Brasilien gibt es Sao Ludgero-Gemeinden, und auf Formosa/Taiwan die "St. Ludger-Holy Cross Church". Nach Ludgerus werden außerdem Straßen, Plätze, Schulen und Apotheken benannt.

Ab dem zwölften Jahrhundert wurde Liudger als Bischof mit Bischofsstab, Mitra und einem Buch dargestellt. Das Kirchenmodell, das Liudger vielfach in der Hand hält, kam erstmals im 14. Jahrhundert vor. Ab dem 15. Jahrhundert erschienen dann auf Bildern und vor Liudger-Statuen die Wildgänse, die in den Legenden um den Heiligen eine große Rolle spielen.

Verehrung

Die Liudger-Verehrung muss im Spiegel der politischen Umstände der jeweiligen Epoche gesehen werden. Mit dem Bild Liudgers als Gelehrten und Bischof, das zunächst vorherrschte, konnten sich nur Kleriker identifizieren, nicht aber die Mehrzahl der Gläubigen. Erst als sich im 19. Jahrhundert, bedingt durch den Kulturkampf zwischen Katholiken und dem preußischen Staat, das Bild des Vaters durchsetzte, der sich als Fürsprecher schützend vor seine Gläubigen stellt, stieg auch die Verehrung im Volk. Liudger wurde zum Vorbild für fromme Lebensführung. "Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wird Liudger zu einer Identifikationsfigur für die Gläubigen", sagt Dr. Bertram Haller, der in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster die Ausstellung "Sankt Ludgerus - Heiliger und Bischof im Spiegel der Nachwelt" zusammengestellt hat.

"Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erleben wir eine Renaissance der Ludgerus-Verehrung." Denn während das 1000-jährige Gedenken an den Todestag des Bistumsgründers im Jahr 1809 noch ausfiel, wurde zum Beispiel in Billerbeck das 1050-jährige Jubiläum 1860 mit einem Jahr Verspätung groß gefeiert. Sie war um ein Jahr verschoben worden, weil der Brunnen vorher renoviert werden musste. Etwa 30 000 Wallfahrer waren zu den 14 Tage dauernden Feierlichkeiten nach Billerbeck gekommen.

Von Galen in Billerbeck

Das 50 Jahre später stattfindende 1100-jährige Jubiläum wurde zu einem glanzvollen Fest mit mehr als 40 000 Pilgern. Billerbeck präsentierte sich als "festliche Blumen- und Gartenstadt", wie es in der damaligen Festschrift heißt. "Keine Straße, kein Gäßchen ist ohne Fahnen und Kranzgewinde, ohne Sprüche und Schmuck." 1934, zum 1125. Todestag Liudgers, wurde die Eröffnungsveranstaltung, eine Männerkundgebung am Ludgerusbrunnen mit Kardinal Clemens August von Galen, zu einer Art Demonstration gegen die NS-Ideologie, die der Kardinal in seiner Ansprache scharf angriff.

Durch die steigende Verehrung bekamen im 19. Jahrhundert auch die Reliquien des heiligen Liudger eine neue Bedeutung. 1000 Jahre lang hatten die Benediktiner in Werden das Grab Liudgers streng bewacht, weil sie die Gebeine des Heiligen unversehrt lassen wollten. Es wird sogar berichtet, dass immer einer der Mönche am Grab schlafen musste, damit nachts kein Diebstahl geschah. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Grab nur jeweils ein Mal geöffnet. Von der Säkularisation bis heute wurde es dagegen zehn Mal geöffnet. Mehrmals wurden Reliquien entnommen, die in Schreinen, Statuen oder Monstranzen in vielen Kirchen ausgestellt sind.

Bei der Feier anlässlich des 1050-jährigen Todestags Liudgers wurden vier Partikel entnommen, die in den Paulusdom und St. Ludgeri in Münster, die Ludgeruskapelle in Lippborg und nach Billerbeck kamen. Weitere Reliquien befinden sich heute unter anderem in der Benediktinerabtei Gerleve, in Rheine-Elte, in Coes­feld, Rheinhausen, Moers-Kapellen, Kevelaer, Maria Laach und Utrecht. An jedem ersten Septembersonntag werden die Gebeine des heiligen Liudger in einem kostbaren Reliquienschrein bei einer feierlichen Prozession durch die Straßen von Essen-Werden getragen.

Im 20. Jahrhundert wird Liudger von der Werbung entdeckt: Er verleiht seinen Namen weltlichen Dingen, wie zum Beispiel dem "Ludgeruswasser", einem Schnaps, der seit 1959 in Billerbeck vermarktet wird. Die Ludgeri-Apotheke vertreibt Ludgeri-Kosmetik, gegen Husten helfen Ludgeri-Brustkaramellen, und für den kleinen Hunger gibt es Schokoladentörtchen mit dem Bild Liudgers. 1992 gab die Deutsche Bundespost aus Anlass des 1250. Geburtstags Liudgers eine Sonderbriefmarke im Wert von einer Mark heraus. Das Motiv stammte aus der Vita Liudgeri aus dem 11. Jahrhundert und zeigte Liudgers Bischofsweihe im Jahr 805.

Brauchtum

Auch heute noch wird in einigen Ludgerusgemeinden das Gedenken an den Bistumsgründer aufrecht erhalten. Zunächst natürlich an der Grabstätte Liudgers in Essen-Werden, wo sich die "Communitas Sancti Ludgeri" um die Brauchtumspflege kümmert. In Billerbeck fördert der "Arbeitskreis St. Liudger" die Verehrung. Er organisiert jedes Jahr am 26. März den Liudger-Gedenktag, gibt Literatur und den Kirchenführer heraus und veranstaltet Führungen. Zudem hält er Kontakt zu anderen Ludgerusgemeinden, besonders zu der in Essen-Werden, wo die Billerbecker jedes Jahr am ersten Septembersonntag an der Reliquienprozession teilnehmen.

In der Ludgerusgemeinde in Sendenhorst-Albersloh findet immer am zweiten Sonntag nach Ostern der Ludgerussonntag, das Patronatsfest der Gemeinde, statt. Zuständig hierfür ist die 340 Köpfe starke Männer-Sodalität, die dieses Brauchtum bereits seit 1970 pflegt.

Text / Foto: Almud Schricke in Kirche+Leben
29.03.2005