"... mit Wein gefüllt"
Sie kennt allein die Sitte, dass nach Schluss der Vesper am Weihnachtsabend, nachdem ein Priester mit Weihwasser, begleitet von einigen Klerikern, durch die Kurien der Domherren gegangen und sie unter dem Gesang des Weihnachtshymnus A solis ortus cardine eingesegnet habe, einige Domangestellte den Paulusnapf mit Wein durch die Kurien der Domherren trügen. Letzteres geschehe, während man die Komplet singe: "Ut tune redimus ad illud (sc. completorium) cantandum et interim ciphus beati Pauli (am Rand steht: S. Paulusnapp) defertur per domos dominorum cum vino".
Am Weihnachtsfest selbst wurde der Paulusnapf, mit Wein gefüllt, zur Festtafel geschickt, die an diesem Tage der Domdechant zu halten pflegte. Der gleiche Becher diente als Tafelschmuck und Trinkgefäß beim Großen Kaland. Leider ist der kunstvolle alte Paulus-Napf im Jahre 1806 mit dem ganzen Silberschatz des münsterischen Doms auf Befehl der preußischen Regierung nach Magdeburg gebracht, dort von den Franzosen erbeutet und in der Münze zu Paris eingeschmolzen worden. An seine Stelle war vermutlich schon einige Zeit vorher beim Kaland ein anderer silberner Pokal getreten, den das Amt Horstmar im Jahre 1651 dem Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen verehrt hatte.
Während der alte Paulus-Napf verhältnismäßig leicht war (er wird im Inventar bei der Überführung des Silberschatzes nach Magdeburg als "ein Becher von vergoldetem Silber, genannt Terrine des hl. Paulus… Gewicht 2 Pfund 15 Loth" bezeichnet), ist das jüngere Trinkgefäß des Kalands ein mächtiger Pokal in Kugelgestalt, auf dessen Außenflächen die Landkarte des alten Fürstbistums Münster eingraviert ist. (Gewicht 12 2/5 Pfund).
Beutestück der Franzosen
Auch der neue Napf wurde in der französischen Zeit von einem der Gouverneure Münsters beschlagnahmt und als Beutestück nach Frankreich entführt. Feldmarschall Blücher, der ihn wohl als Gast bei einer Kalandfeier kennen gelernt hatte, bemühte sich beim Friedensschluss vergebens, ihn für Münster wiederzuerlangen. Erst einem Mitglied der gräflichen Familie von Galen, dem damaligen Erbkämmerer, soll es gelungen sein, ihn in Paris am 20. September 1815 aufzufinden.
Der preußische Staatsminister von Altenstein setzte seine Rückgabe durch. Nachdem dieser neue Paulus-Napf beim Friedensfest am 18. Januar 1816 zu Münster als Siegestrophäe gezeigt worden war, wurde er dem Domkapitel wieder zugestellt, das ihn alljährlich dem Großen Kaland zu seiner Festfeier überlässt". So weit die Ausführungen von Richard Stapper.
Die abwechselnde Benutzung der Begriffe "Napf" und "Becher" ist irritierend. Gleich neige ich dazu, an einen großen "Weinbehälter" (Napf) und einen kleinen "Becher" als Trinkgefäß zu denken. Dies betrifft wohl den alten, verloren gegangenen "Paulusnapf". Anders beim neuen "Napf": hier ist die Singularform ‚unzureichend', da im Gebrauch es sich um zwei gleichwertige, halbkugelförmige Näpfe/Pokale handelt.