Die Kunstwerke der Domkammer

Das Reliquienkreuz

Westdeutsch, 2. Hälfte 11. Jahrhundert; Fuß abbasidisch 9./10. Jahrhundert, E. 5

Eines der schönsten und ältesten Altarkreuze in den europäischen Schatzkammern ist dieses goldene Reliquienkreuz, das sich über einem abbasidischen Bergkristallfuß einer Schachfigur erhebt. Das lateinische Krückenkreuz ist als Gemmenkreuz mit verschiedenfarbigen Steinen reich verziert. Auf der Rückseite ist in Graviertechnik der gekreuzigte Christus als Sieger über den Tod mit offenen Augen dargestellt, zu beiden Seiten die trauernden Gestalten der Sonne und des Mondes, die auf die kosmische Erschütterung hindeuten.

Kopfreliquiar des hl. Paulus

Nordwestdeutschland, 3. Viertel des 11. Jahrhunderts, E. 2

Besonders kostbare Ausstellungstücke sind die „redenden“ Reliquiare, die in ihrer Gestaltung ausdrücken, welche Reliquien sie umschließen. Das Paulusreliquiar von 1050/70 enthält einen Teil der Schädelkalotte des Apostels Paulus, des Patrons des Domes und des Bistums. Es ist das früheste erhaltene Kopfreliquiar des christlichen Europas und das älteste und bedeutendste Schatzkammerstück des gesamten Domschatzes.

Fragment einer Goldwirkerei mit Chimären

Sizilien (Palermo), Ende 11./Anfang 12. Jahrhundert, U.2

Alte Stoffe haben sich oft nur deshalb erhalten, weil sie, wie auch dieses Gewebe, als Umhüllung von Reliquien in einem Reliquienkasten dienten. Der überaus seltene sizilianische Stoff, ein Gewebe in Tapisserietechnik, Gold und Seide, enthält neben zwei Menschen Mischwesen wie Chimären, Sirenen, Paradiesvögel, Drachenköpfe, Schlangenbänder und einer Mandragora (Menschenwurzel).

Kokosnussreliquiar

Westfalen (?), um 1230/1250; Bergkristallfigur: abbasidisch, 9./10. Jahrhundert, E.6

Ein Pokal aus der im Mittelalter höchst seltenen Kokosnuss ist mit einer abbasidischen Bergkristallfigur bekrönt, die ursprünglich ein Löwe war und zu einem Lamm Gottes umgearbeitet wurde. Das Kokosnussreliquiar gilt als das älteste erhaltene seiner Art. Es veranschaulicht die Umnutzung von exotischen Objekten in der abendländischen Schatzkunst des Mittelalters.

Armreliquiar der hl. Felicitas

Münster (?), um 1250/1260, E.38

Das silberne Armreliquiar mit einem Eichenholzkern gehört zu den „redenden“ Reliquiaren: an einer Seite wird ein Unterarmknochen der Hl. Felicitas sichtbar, auf den die gewählte Form des Armes hinweist. Der Arm ist mit Reifen geschmückt, die eine reiche Verzierung aus kostbaren Filigranarbeiten und Edelsteinen aufweisen. Felicitas, eine Römerin, wurde unter Kaiser Antoninus Pius (138 – 161) als Christin in Rom hingerichtet, nachdem sie zuvor gezwungen worden war, mit anzusehen, wie ihre sieben Söhne zu Tode gemartert wurden.

Vortragekreuz des Domkapitels

Vorderseite: Westfalen (Münster?), um 1260/1265, Rückseite: Münster, um 1626/1630, Goldschmied: Gerdt Werninck, E.1

Das Vortragekreuz ist besonders kostbar gestaltet. Inmitten reich verzierter Kreuzbalken, die mit feinen Filigranarbeiten, Edelsteinen und Halbedelsteinen geschmückt sind, hängt Christus mit weit ausgebreiteten Armen im Dreinageltypus am Kreuz. Mit geöffneten Augen ist er hier zeittypisch als Sieger über den Tod dargestellt. Ursprünglich zierte sein  Haupt eine Herrscherkrone. Die Rückseite wurde Anfang des 17. Jahrhunderts mit einem christologischen und biblischen Programm gestaltet. Das Kreuz wird noch heute im Dom bei der Messfeier benutzt.

Reliquienstatue der Thronenden Muttergottes

Westfalen (Münster?), um 1260/1270, E.7

Die in vergoldetem Silber (über Eichenholz) ausgeführte, feingebildete Skulpturengruppe ist von verhaltener innerlicher Beseeltheit geprägt. Die anmutige Maria ist, wie für die Zeit der Spätromanik typisch, auf einem Thron als Gottesmutter mit dem Christuskind auf ihrem linken Bein dargestellt. Christus hat die rechte Hand erhoben, um die Welt zu segnen. Die (einst vier) vergoldeten Relieffiguren der Apostel an den Wangen des Throns, verweisen auf das Jüngste Gericht. Die thronende Madonna bildete den Mittelpunkt der goldenen Schauwand des Hochaltars und beinhaltete wertvolle Reliquien. Die Statuette könnte im Zeittraum der Domweihe (1264) entstanden sein.

Tragaltar

Niedersachsen/Harzvorland, 2. Hälfte 13. Jahrhundert, U.I/1

Tragaltäre wurden zu Messfeiern auf Reisen benutzt. Dieses überaus kostbare Exemplar ist mit Silberreliefs und Naturperlen, Korallen sowie roten und blauen Perlenstickereien auf Pergamentstreifen reich verziert. Auf der Vorderseite ist im vergoldeten Silberrelief Christus als Weltenrichter zu sehen zwischen Maria und Johannes Evangelist, die in mehrfarbiger Perlenstickerei gebildet sind.

Hundeaquamanile

Nordwestdeutschland, um 1300, U.20 / BM 287 (Bestand des ehemaligen Bischöflichen Diözesanmuseums Münster/Bistum Münster)

Dieses kostbare und seltene Gießgefäß diente zur Handwaschung des Priesters in der Liturgie. Der Hund als treuer Genosse des Menschen steht für die Wachsamkeit des Glaubens.

Kasel aus blauem Seidengewebe mit Pelikanen und Rindern zwischen Lotosblüten

Iranischer oder irakischer Stoff, um 1340/1380; Veränderung der Kasel vermutlich Ende des 16. Jahrhunderts, U.17/ BM 500 (Bestand des ehemaligen Bischöflichen Diözesanmuseums Münster/Bistum Münster)

Messgewänder wurden oft auch aus kostbaren Stoffen gefertigt, die zunächst eigentlich für weltliche Zwecke gedacht waren. Einer der schönsten Stoffe ist dieses aus dem Iran oder Irak stammende Gewebe mit Dekor aus Pelikanen, Rindern und Blütenranken. Die Kasel war Bestandteil eines größeren Ornats, die dazugehörige Dalmatik findet sich heute im Victoria & Albert Museum in London.

Silbernes Kopfreliquiar des hl. Paulus

Münster, um 1380, O/Vb.6

Das in feinsinniger Form getriebene und ziselierte Antlitz des Hl. Paulus zeigt die seit der Spätantike übliche Kopfform des Heiligen mit der hohen kahlen Stirn, den strähnigen Haaren und dem zweigeteilten Bart. Der Büstensockel ist durch eine Brosche mit Christusmonogramm und Edelsteinen verziert.

Reliquiar mit Elfenbeinbecher mit Tugend- und Laster-Darstellungen

Elfenbeinbecher: Münster (?), um 1380, Fassung: Münster, um 1400, E.36

Wie am Beispiel des sogenannten „Weibermachtreliquiar“ aus Elfenbein deutlich wird, wurden auch Tugenden und Laster der Menschen auf den Reliquienbehältnissen thematisiert. Hier ist unter anderem dargestellt, wie Phyllis, die Geliebte des jungen Alexander des Großen, den in sie verliebten alten Philosophen Aristoteles dazu bringt, ihr als Reittier zu dienen – eine Warnung vor der fleischlichen Liebe.

Prophetenbüste (Philon II)

Münster (?), um 1390/1400, E.21

Die Prophetenbüste ist eine der 14 höchst bedeutenden Reliquienbüsten aus dem ehemaligen Hochaltar des Domes. Sie gehören zu den größten Kostbarkeiten in europäischen Sammlungen. Diese Büste des Propheten Philo von Alexandrien mit dem markant durchgebildeten Antlitz und aufgesetzter Mütze trägt neben seinem Spruch auf der Schriftrolle eine große Kristallscheibe, hinter der sich Reliquien der Hl. Walburgis und des Hl. Vincenz befinden, was sich aus den Pergamentstreifen (Cedulä) ablesen lässt.

Baldachinreliquiar der Muttergottes

Baldachin: Münster, um 1400/1410; Elfenbeinschnitzerei: Frankreich, um 1400, E.4

In der Kombination von Elfenbein und Silber handelt es sich hier um ein ungewöhnliches, sehr kostbares Reliquiar. Die Muttergottes thront als Himmelskönigin auf einem gestuften Sockel und wird von einer Baldachinarchitektur gerahmt. Musizierende Engel umgeben das Haupt der gekrönten Madonna, die seitlich, im Hintergrund, von den beiden weiblichen Heiligen Dorothea (links) und Katharina (rechts) eingefasst wird.

Messgewand aus rotgrünem Samtbrokat

Grundstoff: Italien (Florenz?), 2. Viertel 15. Jahrhundert, Borten: Köln, 2. Hälfte 15. Jahrhundert, U.40 a und b / BM 534 und BM 622 (Bestand des ehemaligen Bischöflichen Diözesanmuseums Münster/Bistum Münster)

Diese Florentiner Kasel mit der Stola ist wie zeittypisch mit den sogenannten Kölner Borten bestickt. Der außerordentlich prächtige Stoff besteht über einem elfenbeinfarbigen Grund aus dunkelgrünem Samt mit roten Granantapfelmotiven als Symbolen der Unsterblichkeit. Im fein gestickten Gabelkreuz der Borte erscheint eine anmutige Madonnenfigur; darunter ist der Name des Stifters Beernt van Holt zu sehen. Borte und Stola sind reich mit Christus- und Marieninschriften sowie Symbolen bestickt.

Christus auf dem kalten Stein

Münster, um 1475 O.IV.4

Nachdenklich schmerzvoll ist der einsame Christus nach der Geißelung und Dornenkrönung auf einem Stein sitzend dargestellt. Das bewegte Antlitz, der zur Seite geneigte Kopf mit der schweren Dornenkrone und die plastische Durchbildung des Körpers mit seiner feinen Wendung und Drehung erzeugen den Eindruck verhaltener Innerlichkeit im Leiden. Die ausdrucksvolle Skulptur ist ein typisches Beispiel eines Andachtsbildes des späten Mittelalters.

Hostienmonstranz

Westfalen (Münster?), um 1510/1520 und um 1540, U.92

Diese außergewöhnlich fein gearbeitete Turmmonstranz entwächst einem reichen Fuß in Form einer kleinen gotischen Architektur. Das aus vielen sogenannten Fialtürmchen mit kleinen Skulpturen bestehende Architekturgebilde umschließt einen Glaszylinder, in den die konsekrierte Hostie, der Leib Christi, in einer Halterung angebracht ist, um sie zu bestimmten Zeiten feierlich zur Anbetung zur Schau zu stellen. Monstranzen werden auch heute noch beim Fronleichnamsfest feierlich mitgeführt.

Reliquienstatuette der hl. Agnes

Münster, bald nach 1520, E.87

Die prächtig in Silber und teilvergoldetem Silber gestaltete Reliquienfigur der Heiligen Agnes wurde von dem berühmten Domherren Rudolf von Langen gestiftet. In ihrer modischen Kleidung erscheint die Heilige wie eine reiche Bürgerfrau der Zeit. Das Lamm (Symbol Christi) und der Ring (Hochzeitsring) weisen auf ihr Leben in der Christusnachfolge hin, die einer mystischen Vermählung mit Christus gleichkam.

Aufsatz des ehemaligen Johannesaltars

Kilian Wegeworth (zugeschrieben), Münster, 1537, O.VI.4

Der prachtvolle Altar zeigt auf einer, wie in die Landschaft geschobenen Bühnenarchitektur, Christus mit der Weltkugel zwischen Johannes dem Täufer und Johannes Evangelist. Die drei Hauptfiguren und weitere Figuren und Szenen sind mit Spruchbändern versehen, die Bezüge zur Heilsgeschichte herstellen. Der Altaraufsatz entstand nach den Zerstörungen des Doms durch das Täuferreich, das 1535 endete.

Dalmatik aus Goldgewebe mit gestickten Besätzen

Grundstoff: Florenz, vor 1555, Borten: Brüssel, 1. Viertel 16. Jahrhundert, U. 87 / BM 554 (Bestand des ehemaligen Bischöflichen Diözesanmuseums Münster/Bistum Münster)

Dalmatiken waren die Gewänder der dem Priester bei der Messfeier assistierenden Diakone. Dieser außergewöhnlich kostbare Goldbrokatstoff auf rotem Grund ist verziert mit Borten in Seidenstickerei aus dem im 15. und 16. Jahrhundert hochbedeutenden künstlerischen Zentrum Brüssel. Die Borten zeigen Heilige in Baldachinnischen, die Heiligenfiguren sind in Farben mit so feinen Übergängen gestickt, dass man diese Seidenstichtechnik als Nadelmalerei bezeichnet.

Horstmarer Pauluspokal

Goldschmied Johan Meiners, Coesfeld, 1651, DK.2020.59

Der einzigartige große Doppelpokal, der von einer Paulusfigur (dem Bistumspatron) bekrönt wird, zeigt eine eingravierte Karte mit allen Orten des ehemaligen Fürstbistums Münster, eines Staates, der sich von der Lippe bis nach Ostfriesland ausdehnte. In der Mitte zu öffnen, diente der Pokal wohl in der Osterliturgie zur Hand- und Fußwaschung. Er wird noch heute von der Bruderschaft des Großen Kaland beim Aufnahmeritual zur Weinspende verwendet.

Messkelch

Danzig, Meister CF, um 1700/20, U. 129

Dieser barocke Kelch aus der Stiftung Franz Ferdinand von Landsbergs ist für die feierliche Heilige Messe besonders reich gestaltet. Der Fuß in Form eines sogenannten Sechspasses zeigt subtil ausgeführte Figurenreliefs: Christus am Kreuz und Heilige. Der birnenförmige Trageknauf ist mit Engelköpfchen geschmückt. Die sogenannte Kuppa ist von Blütenranken umschlossen, die wie ein Korb gebildet sind.

Kasel aus hellblauer Seide mit roten Besätzen

Frankreich oder Italien, 3. Viertel 18. Jahrhundert, U.295 / BM 542 (Bestand des ehemaligen Bischöflichen Diözesanmuseums Münster/Bistum Münster)

In der Spätbarockzeit werden Stoffe für Messgewänder gewählt, die wie in diesem Beispiel mit Blumenranken und Blüten reich und farbenprächtig verziert sind. Die Blumen sind als Streublumen verteilt und sehr naturalistisch durchgebildet. Das Kaselkreuz dagegen ist aus einem sogenannten bizarren, exotischen Stoff. Nahtspuren weisen auf eine Zweitverwendung der Stoffe hin.

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