Kreuzigungsgruppe am Dom

Der St.-Paulus-Dom ist um ein Kunstwerk reicher: Am Vierten Advent (19.12.2004) wurde eine neue Kreuzigungsgruppe eingesegnet. Die bronzene Kreuzigungsgruppe an der Nordseite der Kathedrale (am Horsteberg) schuf der Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim.

Die Kreuzigungsgruppe soll nach Vorstellung des Bildhauers das Golgotha-Geschehen vergegenwärtigen. So finden sich unter dem Kreuz anders als bei üblichen Darstellungen, die Maria und Johannes zeigen, Gestalten der älteren und jüngeren Geschichte. Gerresheim will die Widersprüchlichkeit des Kreuzes in Einzelexistenzen darstellen.

So stellt er ans Kreuz die selige Anna Katharina Emmerick. "Wie in innerer Versenkung scheint sie die Stigmata dem Gekreuzigten zu entleihen und in seelischer wie körperlicher Betroffenheit dazustehen", so Gerresheim in einer "Werkstattnotiz".

Neben der Visionärin steht die selige Schwester Maria Euthymia, "die im einfachen und demütigen Dienst am Nächsten in schweren Kriegszeiten ihre Nähe zum Kreuz und ihre Nachfolge Christi lebte". Wäsche in ihren Händen verweist auf ihre aufopfernde Tätigkeit in der Sorge um die Not leidenden Kriegsbetroffenen.

Am Fuß des Kreuzes findet sich ein Verweis auf die heilige Edith Stein, die eine Zeit lang in Münster einer Lehrtätigkeit nachging: ein Stein mit dem Ordenssiegel des Karmel und ein Buch aus der Feder der Heiligen: "Endliches und ewiges Sein".

Den beiden Frauengestalten gegenüber steht Kardinal von Galen unter dem Kreuz, in seinen Händen die Predigtaufzeichnungen als "Wachrufe in einer politisch gefährlichen Welt".

Im Abseits auf einem tieferen Plateau findet sich eine sitzende Figur: der münstersche Wiedertäuferkönig Jan van Leiden. Gerresheim: "Eine feine Schnittlinie durchfährt das Porträt des Bilderstürmers und setzt sich als 'abrechnender Schlussstrich' durch die Pläne auf seinen Knien fort – ein Strich durch die Pläne des Terrors und der Gewalt – oder verweist die Schnittlinie durch das Porträt eher auf eine psychische Befindlichkeit dieser Gestalt?"

Zerbrochene Zeichen und Embleme verweisen auf dunkle Zeiten der Menschheitsgeschichte: die zerschlagenen Herrschaftsinsignien des Jan, ein Figurentorso als Bilderstürmer-Relikt, das Hakenkreuz, den Judenstern der NS-Zeit, das Hammer-und-Sichel-Emblem des Weltkommunismus.

Im Kapitelsamt vor der Einsegnung hob Dompropst Alfers in seiner Predigt die Bedeutung eines solchen Wegkreuzes hervor. Es erinnere die Menschen daran, dass das Heil nicht im Konsum und im Feiern liege, sondern in Jesus Christus. In diesem Sinne mache es Mut zu Nachfolge Christi.

Die Bronzeskulptur, die durch eine private Spende finanziert wurde, ersetzt eine sandsteinerne Kreuzigungsgruppe aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die durch Witterungseinfluss beschädigt war. Gerresheim hat bereits den Kreuzweg im Chorumgang des Domes gestaltet.

Text: Norbert Göckener, kampanile
Fotos: Michael Bönte, Kirche+Leben
19.12.2004