Die Statue des heiligen Antonius von Padua

Die Verehrung, die der heilige Antonius von Padua in der Bildkunst seit dem Mittelalter genoss, übertrug sich erst im Zuge der Gegenreformation auf die übrigen Länder Europas. Zu den wichtigsten eigentlich erst im 17. Jahrhundert weit verbreiteten Bildtypen zählt die Darstellung des heiligen Antonius mit dem Christusknaben auf seinem Arm.

Sie bezieht sich auf eine Begebenheit aus dem Leben des Heiligen, die im so genannten "Liber miraculorum" überliefert ist: Als der Heilige einmal in einer Stadt predigte, fand er gastliche Aufnahme bei einem Bürger, der ihm zu Gebet und Betrachtung ein stilles Zimmer überließ. Eines Tages nun sah der Mann durchs Fenster wie der Heilige vor einem wunderschönen Knaben kniete und ihn mit seinen Armen umfing. Der Gastfreund war sehr verwundert darüber, denn er hatte niemand in das Zimmer des Mönchs gehen sehen. Auf seine Frage offenbarte ihm der Heilige, es sei der Knabe Jesu gewesen, verbot ihm aber, vor seinem Tode irgendeinem Menschen etwas davon zu sagen.

Innige Zuwendung zum Christuskind

Bei der Statue des Heiligen Antonius von Padua im Chorumgang des münsterischen Domes ist die innige Zuwendung des Heiligen zu dem Christuskind zum Bildthema geworden. St. Antonius, bekleidet mit der franziskanischen Mönchskutte, hält den kleinen Christusknaben auf einem Tuch in seinen Armen und blickt das Kind lächelnd an, während der Jesusknabe interessiert nach seinem Gesicht tastet.

Der Blick des Betrachters ist auf den oberen Teil der Figurengruppe gerichtet. Die enganliegende Mönchskutte zeigt vor dem Unterkörper nur wenige großzügige Faltenzüge, die das ansonsten völlig glattgegebene Gewand durch ihre schlingernden Strukturen lediglich an den Seiten und in der Mitte verräumlichen. Sie unterstreichen in ihren scheinbar aufstrebenden Konfigurationen die Funktion des säulenhaft schlanken Unterkörpers als einen Sockel, der das eigentlich Darstellungswürdige trägt.

Die innige Liebe und die beseelte Geistigkeit des Heiligen in der Zuwendung zu dem Kind wird besonders in dem Haltegestus und in dem Blickkontakt charakterisiert und wirkt geradezu lyrisch-emotional. Eine verhaltene Neigung belebt den Oberkörper des Antonius, der mit äußerst vorsichtigem Griff den Knaben umfasst. Dabei berührt er den Körper des Kindes kaum, vielmehr greift in das Tuch, dass das Lager des Knaben bildet: - das Tuch in den Händen dessen, der "Heilige" trägt, ist ein alter Verhüllungsritus.

Unbeholfenes Tasten des Knaben

Durch die schräge Lage des Jesuskindes und die gegensätzlich zu seiner eigenen Körperneigung sich richtende Kopfwendung des Antonius sind sic die Gesichter nicht nur besonders nah, sondern bewegen sich in einer parallelen Zuordnung. Das unbeholfene Tasten des Knaben bringt den Kontakt der beiden Figuren noch feinsinniger zum Ausdruck. Wichtig für den Gesamteindruck ist überdies der spannungsvolle Kontrast zwischen dem feingliedrig-zarten Antoniuskörper und dem drallen Kinderleib. Durch die wenig räumlichen, vom Boden bis zu den Schultern einheitlich durchgehenden Faltenzüge wird Geschlossenheit erreicht; die Faltenkonfigurationen geben zugleich der organischen Schwingung Ausdruck, die den Leib durchströmt und im Haupt gipfelt.

Der Gesamtaufbau und die im Detail körperhaft sinnenfreudige Darbietung der Gestalten weist daraufhin, dass die Skulpturengruppe ein Werk des münsterischen Hofbildhauers und kurfürstlich kölnischen Hofbildhauers Johann Mauritz Gröninger ist (1652/53-1708), der auch Schöpfer der Statuen der Maria und des Joseph im Hochchor (1675), des Galen-Grabmals (1677-79) und des Plettenberggrabmals (1707-09) im münsterischen Dom war.

Weitere Details geben den typischen Figurenstil wieder. Die Körperoberfläche des Christus mit den weich modellierten Armen und Beinen und dem prallen Bauch, der sich durch die Drehung des Kindes leicht verschiebt, bindet in den feinsten Hebungen und Senkungen Licht und Schatten wie in den weiteren Skulpturen des Bildhauers. In ihrer Konsistenz offenbart sich das Gewand des Antonius als weiche Masse, die ohne starke Grate und Unterscheidungen gegliedert ist.

Vergleiche mit anderen Skulpturen

Diese Merkmale finden sich bereits bei den Skulpturen der heiligen Maria und des heiligen Joseph im Hochchor des münsterischen Domes. Der Gesichtstypus des Christuskindes mit den gratig gezogenen, nach hinten wehenden Haaren findet sich dort bereits bei dem linken Sockelputto Josephs, während der gesamte Körperaufbau mit den beiden Christusknaben der Marien- und Josephstatuen vergleichbar ist.

Woher sich das Bildmotiv und der äußere schlanke Körperaufbau unserer Antonius-Figur ableitet, wird im Blick auf die flämische Barockskulptur deutlich, die im nordwest-deutschen Bereich für viele Bildhauer prägend war. Für die Antoniusstatue waren vor allem die modernen, so genannten prärokokohaften Gestaltungsprinzipien ausschlaggebend. Vermutlich hat der Bildhauer die Figur der heiligen Rosa von Lima von Artus Quellinus dem Jüngeren (1625-1700) genau gekannt, die der Bildhauer um 1660/70 für die St. Paulus-Kirche in Antwerpen schuf. Motivisch ist der münsterische Antonius zweifelsohne von dieser Skulptur abhängig.

Trotz leicht differierender Griffhaltung ist sowohl die Zuwendung der Figuren zueinander als auch das Motiv des tastenden Christuskindes mit der Quellinusstatue eng verwandt. Über diese motivischen Parallelen hinaus ist der zarte, glatte Gesichtstypus der Heiligen mit dem gezierten Lächeln mit dem Antlitz des Antonius vergleichbar. Der kleine Christusknabe zeigt dagegen die dynamisch-naturalische Art der Körperdurchbildung, wie sie von Peter Paul Rubens geprägt und von den flämischen und nordwestdeutschen Bildhauern vielfach übernommen wurde.

Herkunft der Statue

Im weitere sei noch die Frage nach der Herkunft der Statue kurz berührt. Die Figur die 1907 von einem münsterischen Bürger dem Landesmuseum Münster geschenkt wurde, soll nach Auskunft des Vorbesitzers aus einem münsterischen Kloster stammen. Rasmussen vermutet, dass sie mit dem 1698-1702 ausgestatten Observantenkloster St. Antonius von Padua in Verbindung steht. Doch ist sein Hinweis auf eine Antoniusfigur auf einem der Seitenaltäre, die sicher als Pendant zu dem in Holz konzipierten Hochaltar errichtet wurden, wohl wenig wahrscheinlich, da sie sicherlich ebenfalls in Holz ausgeführt waren. Zudem ist die Skulptur dem Frühwerk Johann Mauritz Gröninger zuzuordnen und somit wohl bereits um 1675 entstanden.

Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Skulptur vielleicht aus der ehemaligen Kapuzinerkirche, der heutigen Aegidiikirche stammt, die vor dem Neubau, der zwischen 1724/28 entstand, bereits im 17. Jahrhundert weiter ausgestattet wurde und einen Antoniusaltar erhielt. Seit einigen Jahren befindet sich die Skulptur des heiligen Antonius von Padua nun als Leihgabe des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte im Chorumgang des münsterischen Domes.

Der heilige Antonius von Padua (16. Juni), zugleich Kirchenlehrer, wurde 1195 aus portugisischem Adel in Lissabon geboren. Zunächst Augustiner Chorherr, trat er unter dem Eindruck der Translation der Reliquien der ersten franziskanischen Märtyrer aus Marokko 1220 in den Franziskanerorden ein. Durch Krankheit daran gehindert den Sarazenen in Marokko zu predigen, wurde er nach seiner Rückkehr mit dem Schiff nach Sizilien verschlagen und 1221 auf dem Generalkapitel in Assisi, wo er dem heiligen Franziskus begegnete, in die Franziskanerprovinz Romagna aufgenommen.

Predigten erregten Aufmerksamkeit

Seine Predigten erregten Aufmerksamkeit, so dass er den Auftrag erhielt, gegen die Ketzer zu predigen. 1222-24 predigte er in Oberitalien gegen die Katharer, 1224 in Südfrankreich gegen die Albigenser und 1227-30 erneut in Oberitalien. 1228 befand er sich in Rom vor den Kardinälen und Papst Gregor IX.. Franziskus berief ihn als ersten Lehrer der Theologie für die Franziskaner. Antonius lehrte im Franziskanerkloster von Bologna und führte die Theologie des heiligen Augustinus im Franziskanerorden ein.

Nachdem er sich in seiner letzten Lebenszeit in die Nähe von Padua zurückgezogen hatte, starb er 1231 auf dem Weg nach Padua und wurde bereits 1232 durch Papst Gregor IX. kanonisiert. 1232/33 entstand, auch durch einen Franziskanermönch geschrieben, die Abfassung seiner Vita, die so genannte "Legenda Assidua", auf der alle späteren Legenden beruhen. Sie wurde 1293-1317 durch die so genannte "Rigaldina" eine von Giovanni Rigaldi verfasste Legende ergänzt, die sich auf seinen Frankreichaufenthalt bezieht. Weder im Kanonisationsprozess, noch in der "Legenda Assidua", wird von Wundern zu Lebzeiten, sondern lediglich von Wundererscheinungen nach seinem Tod berichtet.

Gegen Ende des 13. Anfang des 14. Jahrhunderts wurde die Legende mit zahlreichen Wundern zu seinen Lebzeiten ergänzt, deren Motive wohl aus franziskanischen Predigtsammlungen stammten und die durch biographische Tatsachen mit zum Teil unterlegten wunderbaren Zügen durchsetzt sind. Das um 1350 entstandene "Lieber miraculorum" umfasste dann zum ersten Mal eine Chronologie des Lebens des heiligen Antonius.

Legenden

Zu den bekanntesten Legenden zählt die Fisch-Predigt. Als die Einwohner von Rimini seinen Predigten nicht zuhörten wollten, predigte er den Fischen, die daraufhin interessiert die Köpfe aus dem Wasser streckten. Antonius von Padua war "Patron der Franziskaner, der Liebenden, der Eheleute, der Frauen (vgl. die Legende von der Heilung einer von ihrem eifersüchtigen Mann verwundeten Frau bzw. vom Säugling, der die Unschuld seiner des Ehebruchs beschuldigten Mutter bezeugt), der Pferde und Esel (ein Albigenser bekehrte sich, als ein schon drei Tage hungernder Maulesel die ihm vom heiligen Antonius vorgehaltene Hostie anbetete, das Futter jedoch verschmähte), der Reisenden (Erweckung eines auf der Reise verunglückten Kaufmanns); angerufen gegen Unfruchtbarkeit, in Geburtsnöten, gegen Fieber (vgl. Heilungen) Pest, Kriegsnot (wegen mehrerer der Fürbitte bzw. der Mitwirkung des Heiligen zugeschriebener Siege seit dem 16. Jahrhundert), um gute Prüfung (als Lehrer der Theologie), gegen den bösen Blick, gegen Dämonen, (soll als Kind den Teufel aus der Kathedrale von Lissabon vertrieben haben), um verlorene Sachen wiederzufinden (als ihm ein Manuskript gestohlen wurde, betete er solange, bis der Dieb damit zurückkehrte), daher auch von Bergleuten um reiche Fundstätten, gegen Schiffbruch, (Rettung eines Schiffs aus Seenot durch ein Gebet zum Heiligen) angerufen.

Seit dem 17. Jahrhundert Brauch der Antonius-Dienstage (weil er an einem Dienstag beigesetzt wurde); Ortspatron von Lissabon, Padua Spalato, Paderborn, Hildesheim". (Aurenhammer 1957-67)

Text: Udo Grote
Fotos: Michael Bönte, Kirche+Leben
November 2005