Billerbeck - Sterbeort des Bistumsgründers

Die offiziellen Stellen haben sich auf "Liudger" geeinigt. "Die Billerbecker nennen ihn aber immer noch am liebsten Ludger". Propst Heinrich Remfert muss es wissen. Seit 14 Jahren lebt er in der Sterbestadt des heiligen Bistumsgründers. Ein Ort, in dem der erste Bischof von Münster auch 1195 Jahre nach seinem Tod noch immer präsent ist.

Dezent sind die meisten seiner Spuren, doch einige sind nicht zu übersehen. "Fremde fragen als erstes, warum Billerbeck so eine Riesenkirche hat", erklärt Remfert. "Dann muss man von Ludgerus sprechen."

Tatsächlich ist der Dom in der Stadtmitte das Zentrum der Verehrung des friesischen Missionars. Am vermeintlichen Standort seines Sterbehauses errichteten die Baumeister den Südturm des Gotteshauses, das 1898 fertig gestellt wurde. "Sterbekapelle" heißt der quadratische Raum unter dem Gewölbe.

Allgegenwärtig

"Das Relief stellt den sterbenden Ludgerus an dieser Stelle dar", erzählt Remfert zwei Touristenpaaren, denen er, als er sie in der Kapelle trifft, eine spontan eine Führung gibt. Inschrift und Reliquienmonstranz unter dem Altarsims, Marmorbildnis und eine Nachbildung von Liudgers Reisekelch:

Der heilige Bistumsgründer ist in Billerbeck sehr präsent. Obwohl sein geschichtsträchtiger Aufenthalt in Billerbeck schon weit über tausend Jahre zurück liegt, ist er an diesem Ort allgegenwärtig. Wenn auch nicht immer mit originalen Spuren: Das Messgewand aus Ziegenleder, das ein Glasschrank umschließt, wird zwar verehrt, stammt aber aus dem 18. Jahrhundert.

Die Spuren des Heiligen durchziehen die ganze Kirche. Innen und außen. Im Altarraum kulminieren sie. Den Altar aus weißem Carrara-Marmor flankiert eine Ludgerus-Büste, in deren Sockel ein Säckchen mit Reliquien eingelassen ist. Vor dem Ambo auf der anderen Seite hängt ein grünes Banner, auf dem das zum Domjubiläum 1998 entwickelte Logo eingestickt ist. Ein stilisierter Ludgerus, dessen Bild auch die Gemeinde der Ludgerus-Grabstätte in Essen-Werden benutzen.

Todestag wird gefeiert

"Ludgerus ist deutlich im Bewusstsein der Menschen am Ort", sagt Remfert über die Erinnerungskultur in der 11.500 Einwohner zählenden Stadt. Figuren und Wappen mit seinem Bildnis finden sich auch an privaten und öffentlichen Bauten. Der Kindergarten, eine Grundschule und das ehemalige Krankenhaus, das heute ein Altenwohnheim beherbergt, haben ihn zum Patron gewählt. Ein Ludgerus-Arbeitskreis hat sich zur Aufgabe gemacht, die Verehrung zu pflegen.

Bezüge, die am 26. März jeden Jahres, dem Todes- und Gedenktag, besonders belebt werden. Pilger – 5.000 besuchen jährlich die Stadt in den Baumbergen – und Billerbecker finden sich dann an den zentralen Gedenkstätten ein.

Züge von Galens

Neben dem Dom gilt der Ludgerus-Brunnen als ein geografischer Punkt, an dem die Verehrung zum Ausdruck kommt. Unweit des Stadtzentrums sprudelt eine kleine Fontäne aus dem Boden. Sie flankiert eine überlebensgroße Skulptur, die den Bischof zeigt. Doch sein Gesicht ist das Porträt eines seiner Nachfolger: Die Züge zeigen Clemens August von Galen, der kurz nach seinem berühmten Hirtenbrief genau hier gegen den Nationalsozialismus predigte.

"Eine Verbindung von Vorbildern im Einstehen für den Glauben", nennt Propst Remfert die Intention dieser Verschmelzung der Charaktere an einem historischen Ort. Schon einmal in der Geschichte war der Ludgerus-Brunnen nämlich Schauplatz der Emanzipation des katholischen Glaubens. Während des Kulturkampfes in der Mitte des 19. Jahrhunderts fanden hier Kundgebungen gegen die diskriminierenden Gesetze der preußischen Regierung statt.

Überwundener Kulturkampf

Als der Kulturkampf überstanden war, wurde die neu errichtete Wallfahrtskirche zum Ausdruck des wieder gewonnenen Selbstbewusstseins. Nicht allein der Bau, sondern auch die Besinnung auf den berühmten Patron formten das Selbstverständnis und überwanden die zeitliche Distanz zum Leben und Wirken von Ludgerus. Die Bischöfe von Münster hätten die Stadt immer hervorgehoben.

Anders als im Mittelalter. Propst Remfert: "Der mittelalterliche Mensch wollte zum Grab des Heiligen. Das ging hier nicht. Deswegen erreichte Liudger zu dieser Zeit nicht so eine emotionale Verhaftung und Breitenwirkung." Heute allerdings seien die Billerbecker auf dieses Erbe stolz.

Eine Form der Verehrung vermisst der Geistliche: In 14 Jahren nur einmal habe ein Junge bei der Taufe den Namen des Bistumsgründers erhalten. Als zweiten Vornamen. Modetrends haben ihn abgehängt. Egal ob als Liudger oder Ludger.

Text: Michaela Töns, Kirche+Leben
Foto: Michaela Kiepe in Kirche+Leben
27.10.2004