Im Weltkrieg erlitt er die schwersten Schäden seiner Geschichte

Es war einer der schwärzesten Tage in der Geschichte des St.-Paulus-Doms, dessen 750-jähriges Jubiläum vom 26. bis 28. September gefeiert wird: Dabei war der 10. Oktober 1943 ein strahlend schöner Herbstsonntag. Die Stadt Münster voller Spaziergänger und Ausflügler – man wollte das sonnige Wetter zum Bummeln und Flanieren nutzen. Bischof Clemens August Graf von Galen war in seinem Haus am Domplatz gerade dabei, Soutane und Rochett anzulegen, um pünktlich zur nachmittäglichen Vesper im Dom zu sein. Da ertönte Sirenengeheul: Vollalarm. Viele Menschen schauten ungläubig zum Himmel. Ein Bombenangriff am helllichten Tag? Den hatte es seit Kriegsbeginn noch kein einziges Mal gegeben. Doch bald erfüllte das Brummen herannahender Flugzeuge die Luft. Über 200 Bomber der US-Air-Force, scheinbar im Anflug auf das Ruhrgebiet, hatten bei Haltern abgedreht und steuerten nun Münster an. Jede "Fliegende Festung", wie man damals sagte, hatte am Morgen auf einem Fliegerhorst in Südengland fünf Tonnen Bomben zugeladen. Es sollte der schwerste Luftangriff auf Münsters Altstadt werden. Die Flak konnte das Flächenbombardement nicht aufhalten. Auch das Bischöfliche Palais, die alte Domdechanei von 1732, erhielt schwere Treffer.

Nur um Haaresbreite entkam Bischof Clemens August dem Tod: Geistesgegenwärtig war er bei den ersten Detonationen im zweiten Stock in die stabile Türrahmung gesprungen. Sekunden später kam die Decke seines Wohnzimmers herunter. Der Bischöfliche Kaplan Heinrich Portmann hat das Geschehen später in seiner Galen-Biografie eindrucksvoll beschrieben: "Ein furchtbares Krachen, ein Stürzen von Mauern, ein Schlagen und Splittern von Balken und Brettern – dann kam eine finstere Nacht vor lauter Staub." Über Schutthalden und schräg abfallende Balken sei der Oberhirte später "verstaubt und verschmutzt", aber bis auf wenige Kratzer unverletzt nach unten geglitten und habe sich am Rand eines Bombentrichters erschöpft niedergesetzt. Das Bischofshaus, das damals wie heute zugleich Generalvikariat war, hatte schwerste Schäden davongetragen und war unbewohnbar. Bischof von Galen büßte fast alles Mobiliar, seine Bücher, viel Schriftgut und zwei Hirtenstäbe ein. Er musste ins nahe Priesterseminar an der Überwasserkirche umziehen.

Über 20.000 Bomben waren am 10. Oktober über Münster ausgeklinkt worden. Die Bilanz des Schreckens: 670 Tote, unter ihnen 40 Clemensschwestern, die im Mutterhaus an der Stubengasse zu einer Oberinnen-Tagung versammelt waren.

"Der Blick auf den brennenden Dom war für den Bischof der größte Schmerz", berichtet Portmann. Der Nordturm stand am Abend in hellen Flammen: "Wie ein hoher Krater spie er in gewissen Abständen die Feuermassen empor gegen den Nachthimmel." Das Feuer griff nach und nach auf das ganze Domdach über. Die Sprengbomben am Nachmittag hatten besonders das Westquerhaus und das Hauptschiff schwer verwüstet. Die Kanzel und die große Marmorpietà von Wilhelm Achtermann waren zerstört. Lamberti-Pfarrer Felix Uppenkamp hatte sich am Abend bei der Feuerwehr angesichts der zahlreichen ausgebrochenen Brände nur den lakonischen Hinweis abgeholt: "Ausbrennen lassen, da ist nix zu machen."

Nach dem Krieg erfuhr die münstersche Bevölkerung, dass beim ersten Tagesangriff auf Münster die Stufen des Westportals des St.-Paulus-Domes für die alliierten Bomberpiloten als Zielscheibe gedient hatten, die Altstadt möglichst präzise zu treffen. Der Bombenangriff am 10. Oktober 1943 war für den Dom nicht der erste gewesen: Schon im Juli 1941 erhielt das südliche Seitenschiff zwei Volltreffer, mit ihnen wurde auch der prächtige Ludgerusbrunnen zwischen Paradies und Salvatorgiebel zerstört. Der erste Bombenangriff auf Münster im Mai 1940, der kaum Schäden verursachte, hatte noch Schaulustige angezogen, die mit eigenen Augen einmal einen Bombentrichter anschauen und fotografieren wollten…

Der St.-Paulus-Dom wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig vernichtet. Noch 1944 hatte man geglaubt, mit einem Notdach weitere Schäden abwehren zu können. Die beweglichen Kirchenschätze, darunter die Astronomische Uhr und das Gestühl des Kapitelsaales, wurden ausgelagert oder "bombensicher" verwahrt. Im September 1944 zerstörten Sprengbomben die Westfassade mit dem Portal, und im März 1945 zerbarsten bei weiteren Luftangriffen großflächig Mauerwerk und Gewölbe der Kathedrale. Schließlich setzten zahlreiche Brandbomben das Dominnere in Flammen, die schließlich auch den bis dahin einigermaßen davongekommenen Südturm erfassten. Das Geläut stürzte dabei ab, durchschlug das Gewölbe der Turmkapelle und zerbarst. Als Ostern 1945 amerikanische und britische Truppen Münster besetzten, hatte die Stadt über hundert Luftangriffe hinter sich. 1.300 Zivilisten und 200 Soldaten waren im Bombenkrieg ums Leben gekommen. Die vornehme alte "Metropolis Westphaliae" – eine Ruinenstadt und Trümmerlandschaft. Sie zählte nur noch 25.000 Einwohner, die ausgeharrt hatten. Das Wahrzeichen der Bischofsstadt, der stolze spätromanisch-gotische Dom, schien für immer verloren.


Text: Bischöfliche Pressestelle
Foto: Heinrich Börsting