Die wiederaufgebaute Kathedrale wurde 1956 feierlich eingeweiht

Das "Stirb und Werde" des St.-Paulus-Domes– so formulierte es einst der münstersche Kirchenhistoriker Prof. Alois Schroer– wird an nichts so augenfällig wie am zehnjährigen Wiederaufbau der Kathedrale ab 1945/46. Der verheerende Bombenkrieg hatte der Bischofskirche so schwere Wunden zugefügt, dass man bei der Wiedereinweihe am 14. Oktober 1956 angesichts des Ausmaßes von Neubau und Rekonstruktion geneigt war, von einem "vierten Dom" zu sprechen. Der dritte Dom zu Münster, dessen 750-jähriges Weihejubiläum vom 26. bis zum 28. September gefeiert werden wird, schien mit dem Schweigen der Waffen 1945 für immer untergegangen zu sein. So gründlich hatten die Brand- und Sprengbomben der Alliierten ihre zerstörerische Kraft entfaltet.

"Man wagte es kaum zu hoffen, dass an dieser Stätte sich jemals wieder eine Kathedrale erheben würde, die sich als ebenbürtige Nachfolgerin der zerstörten präsentieren kann", sagte Münsters Bischof Michael Keller in seiner Ansprache im Pontifikalamt zur feierlichen Konsekration des neuen Altars. Mit Kriegsende habe es so ausgesehen, dass "das Ende des Domes ein für alle Mal besiegelt" sei. Der wiederaufgebaute Paulusdom ist allerdings ein ganz anderer als der, den die Münsteraner aus der Vorkriegszeit kannten: der Altar in die Mitte der Ostvierung gerückt, die seitlichen Alabaster-Chorschranken von Gröningerentfernt, das Westwerk mit dem ehemaligen Portal geschlossen, die üppigen Wand- und Gewölbemalereien allesamt entfernt, was dem Dom eine strahlende Helle zurückgegeben hat.

Als im März 1946 völlig überraschend Bischof Clemens August Kardinal von Galen starb, wurde der "Löwe von Münster" in der Ludgeruskapelle des Domes beigesetzt; der Galensche Kapellenkranz hatte damals kein einziges Gewölbe mehr. Es sollte Jahre dauern, bis die Räumkommandos die Schuttberge fortgeschafft hatten, die Sicherungs- und Aufbauarbeiten geleistet waren und neue Gewölbe und Dächer gebaut werden konnten. Das Domkapitel hatte die münsterschen Architekten Heinrich Benteler und Albert Wörmann damit beauftragt. Schon 1946 war nach mittelalterlichem Vorbild eine Dombauhütte gegründet worden, um die Prinzipien von Werktreue und Materialgerechtigkeit umzusetzen. Der Sandstein kam aus Brüchen in Havixbeck, Billerbeck und Nottuln. Klar war: Manche bauliche Ergänzungen des 19. und 20. Jahrhunderts sollten nicht wiedererstehen zugunsten von Schlichtheit, Klarheit und Transparenz. Gelder aus der Dombaulotterie, zahlreiche Sachspenden und unentgeltliche Arbeit beschleunigten den Baufortschritt. 1949 begann die Überdachung des Mittelschiffs, 1950 erhielt der Südturm sein kupfergedecktes Pyramidendach zurück, und bis 1953 war der Außenbau der Domkirche bis zum Westquerhaus weitgehend fertig gestellt.

Der neue Bischof Michael Keller (1896-1961), bis dahin Regens des Osnabrücker Priesterseminars und nach langer Sedisvakanz im Oktober 1947 geweiht, war ein Mann von Tatkraft und Durchsetzungsvermögen. Er unterstützte die mit der weiteren Baukonzeption beauftragten Architekten Emil Steffan (Bad Godesberg) und Fritz Thoma (Trier), eine wegweisende und zukunftsträchtige Neugestaltung des Dominneren zu finden. Wie sich nachträglich herausstellte, wurde mit ihr den Reformbeschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vorauseilend Rechnung getragen. Der neue Zelebrationsaltar sollte seinen Platz in der Mitte der östlichen Vierung haben. Die Gläubigen konnten so von drei Seiten dem liturgischen Geschehen folgen. Dafür hatten sich auch der Liturgiewissenschaftler Emil Lengeling und Diözesankonservator Theodor Wieschebrink eingesetzt. Als die Architekten das im Bombenkrieg völlig zerstörte Westwerk schließen wollten, brach in Münster ein Sturm der Entrüstung los. Monatelang füllten Leserbriefe zum Pro und Contra die Zeitungsseiten. Die mächtige Westfassade komplett geschlossen und nur durch 16 rosettenförmige Rundfenster aufgelockert? Von "Seelenbrause", "Himmelstelefon" und – mit einem Seitenhieb auf den Bischof – von "Keller-Fenstern" war die Rede. Auch die Denkmalpflege äußerte Bedenken; Landeskonservator Theodor Rensing hatte bereits die Versetzung des alten Hochaltares von der Ostapsis zur Westwerkwand kritisiert. Doch am Ende setzte sich der Diözesanbischof mit der großen Mehrheit des Domkapitels durch. Die beißende Kritik an der "modernen" Westfassade hielt noch sehr lange an. Bis heute ist keine Stadtführung denkbar, ohne dass von diesem heftigen Streit Mitte der fünfziger Jahre erzählt wird.

Die Wiedereinweihung des St.-Paulus-Domes wurde im Rahmen einer Domfestwoche vom 14. bis 21. Oktober 1956 begangen. Nahezu 50.000 Gläubige aus allen Teilen der Diözese wurden dazuerwartet. Zuvor war das neue zehnstimmige Domgeläut im Nordturm installiert worden. Bischof Keller nahm die feierliche Altarweihe vor und wies in seiner Predigt auf die einzigartige Bedeutung dieses Tages hin: "Wir haben den Dom nicht deshalb wiederaufgebaut, um in ihm ein ehrwürdiges Denkmal aus der Vergangenheit der Nachwelt zu erhalten, sondern um dem Bistum seine Haupt- und Mutterkirche wiederzugeben." Ein weiteres Pontifikalamt zelebrierte der Erzbischof von Köln, Kardinal Joseph Frings, der 1946 gemeinsam mit Bischof von Galen den Kardinalshut empfangen hatte. Er wies auf die Jahrhunderte alten Verbindungen zwischen Köln und Münster hin und überreichte eine Reliquie des Gründerbischofs Liudger aus dem Grab in Essen-Werden. Zum Abschluss feierte der Apostolische Nuntius, Erzbischof Aloysius Muench, mit dem Diözesanen eine festliche Heilige Messe, in der er den wiedererrichteten Dom als ein "wunderherrliches Werk" bezeichnete, auf das die gesamte Diözese stolz sein könne.


Text: Bischöfliche Pressestelle
Foto: Archiv