Domkapitular Ludger Bornemann über Lage in Israel und im Gazastreifen
Münster (pbm/al). Zum zweiten Jahrestags des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel wirft Domkapitular Ludger Bornemann aus Münster neben allen Opfern und Betroffenen einen Blick auf eine seiner Ansicht nach häufig übersehene Gruppe: die Christinnen und Christen im Gazastreifen und in Israel.
Bornemann kann die Lage vor Ort aufgrund persönlicher Erfahrungen gut einschätzen: Der 69- Jährige hat 20 Jahre in dem Land gelebt, unter anderem von 2001 bis 2016 als Geistlicher Leiter des Pilgerhauses Tabgha in Tiberias am See Genezareth. Heute ist Bornemann geistlicher Begleiter der Canisianer und Rektor der Kapelle des Canisiushauses in Münster. Der Region ist er verbunden geblieben, über viele Kontakte und als Geistlicher Leiter des Deutschen Vereins vom Heiligen Land (DVHL).
Aus Sicht des Geistlichen wird aufgrund von Verallgemeinerungen oft übersehen, dass im Gazastreifen nicht nur Menschen islamischen, sondern auch christlichen Glaubens leben. Ebenso gebe es Christinnen und Christen in Israel, auch seien Christen unter den Opfern des Angriffs von vor zwei Jahren gewesen. Viele Christen im Land hätten Migrationshintergrund, etwa Arbeitskräfte besonders von den Philippinen, die oft für ältere Menschen in jüdischen Haushalten arbeiten und wenig Kontakt zu ihren arabischen Glaubensgeschwistern in Israel haben. Insgesamt sähen viele Christen die Positionen der israelischen Regierung sehr skeptisch.
Auch auf die Situation der Christen im von Israel besetzten Westjordanland weist Bornemann hin: „Sie haben große Sorge vor den radikalen israelischen Siedlern, die aus ihrer Sicht sozusagen allein den ,Grundbucheintrag vom lieben Gott‘ für dieses Land in der Tasche haben.“ Eine Gruppe aus diesem Kreis habe kürzlich im einzigen christlichen Dorf „Taybe“ im Westjordanland Autos angezündet, um Christen einzuschüchtern. Ebenfalls problematisch sei die Lage der Christen in Bethlehem. Sie hätten vom Tourismus gelebt und jetzt keine Einnahmen.
Einrichtungen stehen allen Menschen offen
Vor diesem Hintergrund hätten Bornemann zufolge viele Christinnen und Christen das Land verlassen. Im Gazastreifen selbst gebe es noch eine kleine Gemeinde mit rund 100 Katholiken, außerdem eine benachbarte griechisch orthodoxe und eine anglikanische Gemeinde. Die Katholiken betrieben eine Schule, die Anglikaner ein Krankenhaus. „Beide Einrichtungen stehen allen Leuten offen“, betont Bornemann, „entsprechend hat man in diesen Zeiten immer dafür gesorgt, dass alle, die in Not waren, dort behandelt wurden oder ein Obdach fanden.“ Das sei insbesondere wertvoll für alte Menschen oder solche mit Behinderung, die den Aufforderungen der israelischen Regierung, weiter nach Süden zu fliehen, nicht folgen könnten.
„Es ist ein unglaubliches christliche Zeugnis, in der Situation den Schwachen, die nicht weg können und inzwischen an Hunger leiden, zur Seite zu stehen“, findet Bornemann. Sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite tue die Kirche, was sie könne. Aber sie sei „ein sehr kleiner Player in dem ganzen Kontext.“ Trotzdem nutze die Kirche „die Chance, eine Stimme zu geben für die, die sonst zu klein sind, um gehört zu werden.“
Bornemann beeindruckt es sehr, dass inmitten all der Zerstörungen die Menschen zwischendurch ein fast normales Leben zu leben versuchen: „Kinder spielen, junge Menschen setzen ihre Studien fort.“ Doch, ob Christen, Muslime oder Juden: „Sie sind alle furchtbar erschöpft, und die Aussichtslosigkeit zermürbt sie.“ Er blickt auch auf die Situation der noch in der Gewalt der Hamas befindlichen Geiseln: „Sie geraten in der Öffentlichkeit manchmal fast in Vergessenheit. Wie werden sie zurückkommen, wenn überhaupt?“ Parallel bilde die Hamas Jungen als künftige Terroristen aus und gebe im Gegenzug deren notleidenden Familien Geld.
„Im Gebet um den Frieden nicht nachlassen"
Die Menschen in Deutschland könnten wenig für die Menschen in Gaza tun, räumt Bornemann ein. Man könne an Caritas International spenden, auch der DVHL unterstütze die Christen vor Ort in ihrem Engagement für die Notleidenden. Außerdem könne man beten. Als Katholik solle man gerade jetzt im Rosenkranzmonat Oktober „im Gebet um den Frieden nicht nachlassen, nicht nur für diese Region. Wir dürfen immer noch mit Gottes Möglichkeiten rechnen.“
Eine solche Möglichkeit könnte der aktuelle Friedensplan bieten. Bornemann ist zwar skeptisch, ob die Extremisten auf beiden Seiten diesen mittragen. Aber: „Es ist zumindest eine Perspektive für das Danach, die fehlte bis jetzt.“ Er ist überzeugt: „Es muss ein internationales Komitee geben, das Sicherheit für Israel gewährleistet, aber auch Wiederaufbau in Gaza ermöglicht.“ Der Gedanke, die arabischen Staaten mehr einzubeziehen, sei „nicht der schlechteste.“ Und schließlich gelte: „Im Moment kann man es sich nicht leisten, irgendeine Chance nicht zu nutzen.“
Deutscher Verein vom Heiligen Lande - Stichwort: Hilfe für Gaza
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