Große Prozession in Münster startet in der Synagoge

Als Zeichen der Solidarität fand vor der diesjährigen Großen Prozession eine Statio in der Synagoge statt. Von links: Bischof Dr. Felix Genn, Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster, und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe.

Als Zeichen der Solidarität fand vor der diesjährigen Großen Prozession eine Statio in der Synagoge statt. Von links: Bischof Dr. Felix Genn, Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster, und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe.

Mit einer Statio in der münsterschen Synagoge ist in diesem Jahr die traditionelle Große Prozession in Münster gestartet. Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster, begrüßte Bischof Genn, das Domkapitel und Oberbürgermeister Lewe und dankte für dieses Signal, sich nicht einschüchtern zu lassen. In seiner Predigt ging der Bischof unter anderem auf den Wert des Lebens am Anfang und am Ende ein.

„Wir sind heute bewusst in die Synagoge gekommen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen gegen jede Form von Antisemitismus“, sagte Bischof Genn. Wegen der Corona-Pandemie feierte er, statt mit der althergebrachten Prozession durch Münsters Innenstadt zu ziehen, einen feierlichen Gottesdienst im Dom.

Gedenken an antisemitische Attacke im Mai

Unmittelbar zuvor fand eine Statio in der Synagoge statt. Sharon Fehr ging dort auf die antisemitische Attacke vom 11. Mai dieses Jahres vor der Synagoge in Münster ein. Dabei hatten junge Männer antijüdische Verwünschungen skandiert und eine israelische Flagge in Brand gesetzt. Diese Attacke sowie die vielen antisemitischen Angriffe in Sozialen Netzwerken und auf Demonstrationen erschütterten die Mitglieder der jüdischen Gemeinde.

„Resignation aber war und ist in unserer langen jüdischen Geschichte nie eine wirkliche Option gewesen“, betonte Sharon Fehr. Er dankte dem Bischof, dem Domkapitel und dem Oberbürgermeister für den Besuch, den er als Signal an die Jüdische Gemeinde verstehe, sich nicht entmutigen oder einschüchtern zu lassen. „Wir wertschätzen ihren Besuch als eine Botschaft, dass wir uns gemeinsam Seite an Seite einsetzen gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und gegen jedwede Form menschenverachtendes Verhalten sowie für ein friedliches interkulturelles Miteinander.“

Zeichen gegen Hass und Gewalt

Diesen Gedanken unterstrich auch Oberbürgermeister Markus Lewe. Er sagte, dass es ein Glück sei, dass es in Münster ein lebendiges jüdisches Leben gebe. Es sei wichtig, immer wieder Zeichen zu setzen für Vielfalt und gegen Hass und Gewalt. „Das Schönste wäre, wenn es nicht mehr notwendig wäre, dass ein Polizeiwagen vor der Synagoge stünde“, sagte Lewe.

Auch in seiner Predigt im Dom griff Bischof Genn das Thema Antisemitismus auf. Er kritisierte scharf, dass „unsere Glaubensbrüder und -schwestern“ in Deutschland immer noch viel Verachtung erlebten. Umso wichtiger sei es ihm, ein deutliches Zeichen zu setzen, dass eine solche Feindschaft „mit uns nicht zu machen ist, dass wir uns mit allen Kräften dagegen wehren.“

Kritik am Grundrecht auf Abtreibung

Der Bischof ging auch auf den Wert und die Bedeutung menschlichen Lebens ein. Er sprach von einem „katastrophalen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes“ vom Februar 2020, durch das die Frage des Lebensschutzes am Lebensende, im Alter und bei Krankheit wieder offen sei. „Geben wir als Christen Zeugnis von der Kraft des Lebens und vom göttlichen Gebot, dies nicht zu beenden“, wandte sich der Bischof an die Gläubigen. Er kritisierte in diesem Zusammenhang, dass das EU-Parlament vor kurzem mehrheitlich für ein Grundrecht auf Abtreibung gestimmt habe. „Dem möchte ich energisch widersprechen“, sagte Bischof Genn und fuhr fort: „Es kann niemals ein Recht geben, das menschliche Leben eines anderen zu beenden.“

Christen seien nun umso mehr herausgefordert, den Frauen und Männern beizustehen, die in diesen schwierigen Fragen arbeiteten, also Ärzten, dem Pflegepersonal und Menschen in sozialen Diensten, und vor allen Dingen den Frauen, die vor „oft grausamen Alternativen“ stünden. „Wir müssen an der Seite des Lebens und an der Seite dieser Frauen stehen“, forderte der Bischof und dankte allen, die für das Lebensrecht am Anfang und am Ende des Lebens einstünden. Bischof Genn: „Wir sind aufgerufen, uns mit allen Kräften dagegen zu wehren, wo das Leben bedroht ist, in der Pandemie genauso wie an diesen Eckpunkten unseres Lebens.“

Junge Generation hat in der Pandemie viel auf sich genommen

Im Blick auf die Corona-Pandemie dankte der Bischof allen, die im Gesundheitswesen arbeiten, aber auch den Erzieherinnen in den Kindertageseinrichtungen, den Lehrerinnen und Lehrern „und all den vielen Menschen an den Kassen, in der Müllentsorgung oder in der Stadtverwaltung und überall dort, wo unabdingbar für unsere Gesellschaft gearbeitet wurde und wird.“ Einen besonderen Dank richtete der Bischof an die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und das, wie er betonte, nicht nur als Bischof, „sondern auch als Mitglied der älteren Generation“. Kinder und Jugendliche hätten zum Wohl anderer lange auf viele Freiheiten verzichtet und Einschränkungen hingenommen. Außerdem seien sie bei der Vergabe der Impfstoffe hintenangestellt worden. Die junge und jüngste Generation habe viele Opfer auf sich genommen hat und werde noch lange daran tragen.


Text: Bischöfliche Pressestelle
Fotos: Achim Pohl, Bischöfliche Pressestelle