Gott interessiert sich für die Tränen der Menschen

„Gott interessiert sich für die Tränen der Menschen“. Er, „der Auferstandene, ist der von der Liebe Verwundete. Das macht ihn glaubwürdig, das lässt ihn uns nahe kommen.“  Das hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, am Ostersonntag im St.-Paulus-Dom in Münster betont. „Aufrichtig und wahr in der derzeitigen leidvollen Situation von Kirche und Welt Ostern zu feiern, kann möglich werden, wenn uns die Rede von den Tränen und das Bild der Wunden den Weg bahnen, doch mitten in diesem Durcheinander und in diesem unsäglichen Leid es mit dem Auferstandenen zu versuchen“, sagte Bischof Genn.

Er ging in seiner Predigt darauf ein, dass derzeit in allen gesellschaftlichen, politischen und auch kirchlichen Feldern „viel Lüge und Unaufrichtigkeit und vieles, was böse ist“ zu erleben sei. Bischof Genn: „Zur Wahrheit dieses Osterfestes 2022 gehört es – noch stärker als in den Zeiten der bedrängenden Pandemie – zu sehen, wie es um die Welt und ihre Situation bestellt ist, aber auch, was in der Kirche alles um- und abbricht. Manches ist tatsächlich zum Heulen. Immer wieder reißen Wunden auf, und ein oberflächliches Pflaster hilft nicht. Wir müssen uns dieser Wahrheit stellen, dass Menschen der Kirche den Rücken kehren, dass wir weniger werden, dass wir ratlos sind, weil wir nicht wissen, wie es weitergeht. Das greift bis ins Herz unserer Botschaft und Verkündigung: Können wir da noch von Hoffnung, von Zuversicht reden? Was sagt uns die Botschaft des Sieges der Auferstehung, wo das Leben über den Tod und alle Mächte des Todes den Sieg davonträgt, in dieser Situation?“

Wichtig und notwendig dabei sei es, „dass wir nichts beschönigen, nichts wegdrücken, dass wir der erschütternden Realität in die Augen schauen, dass wir bereit sind, die Wunden von Verwundeten, auch durch die Kirche verwundeter Menschen zu sehen, die eigenen Wunden anzuschauen, die diese Situation verursacht, und auch die Tränen, die einem in die Augen treiben, wenn man vielleicht an eine ungewisse Zukunft oder an eine schlechte Zukunft der Kirche denkt.“ Hier könnten die Osterevangelien einen großen Trost bedeuten, werde in ihnen doch deutlich, dass der Auferstandene den Menschen da begegnen wolle, wo sie weinten. Dabei komme der Auferstandene nicht strahlend und dränge sich nicht auf. Und seinen Jüngern mache er sich kenntlich, indem er ihnen seine Wundmale zeigt. Hervorgebracht habe diese Wunde die Liebe. Wer sich persönlich von dieser Wunde und vom Blutverlust Christi treffen lasse, könne Zeugnis vom Geheimnis der Auferstehung geben.

Text: Dr. Stephan Kronenburg/
Fotos (Archiv): Achim Pohl